Für berühmte Schriftsteller ist "Don Quijote" das beste Buch der Welt
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"Die 100 besten Bücher der Literaturgeschichte" – eine solch ambitionierte Liste hat der Norwegische Buchclub-Verein und Verlag "Bokklubben" 2002 der interessierten Öffentlichkeit präsentiert, nachdem er zusammen mit dem Osloer Nobelinstitut 100 international bekannte Autoren aus 50 Nationen nach den zehn wichtigsten Werken aller Zeiten befragte. Sie sollten hierzu angeben, welche Werke den größten Einfluss auf ihr eigenes Schaffen ausgeübt haben, sowie ihrer Meinung nach kulturell sehr prägend sind.
An der Umfrage nahmen u.a. literarische Schwergewichte wie Paul Auster (USA), Susan Sontag (USA), John Irving (USA/Kanada), John le Carré (Großbritannien), Salman Rushdie (Indien/Großbritannien), Nadine Gordimer (Südafrika), Milan Kundera (Tschechien/Frankreich), Orhan Pamuk (Türkei) und Astrid Lindgren (Schweden) teil. Zu den deutschsprachigen Autoren gehörten Siegfried Lenz, Hans Magnus Enzensberger, Christoph Hein, Herta Müller und Christa Wolf.
Von Marcel Behling
Miguel de Cervantes' Schelmenroman auf Platz 1 der 100 besten Bücher der Welt
Im Ergebnis der Befragung landete der vor über 400 Jahren geschriebene Schelmenroman "Don Quijote" des Spaniers Miguel de Cervantes auf Platz 1. Er konnte sogar 50 Prozent mehr Stimmen als das nachfolgende Werke auf sich vereinen, Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary" aus dem Jahre 1857. Insgesamt stellt die Bücherliste jedoch kein Ranking dar, sondern kennt nur einen Sieger und eben 99 nachgeordnete Werke, die die meisten Stimmen erhielten.
Der älteste deutsche Autor auf der Liste ist Johann Wolfgang von Goethe mit seinen Dichtungen "Faust I" und "Faust II", mit drei Werken ("Der Prozess", "Das Schloss" und "Gesammelte Erzählungen") ist allerdings Franz Kafka der meistgenannte deutsche Autor. Weitere genannte Deutsche sind Thomas Mann ("Buddenbrocks", "Der Zauberberg"), Alfred Döblin ("Berlin Alexanderplatz"), Paul Celan ("Gedichte"), Robert Musil ("Der Mann ohne Eigenschaften") und Günter Grass ("Die Blechtrommel").
Spitzenreiter unter allen Autoren ist allerdings mit gleich vier Werken der russische Schriftsteller Fjodor M. Dostojewski ("Schuld und Sühne", "Der Idiot", "Die Brüder Karamasow" und "Die Dämonen").
Inhalt von "Don Quijote"
Wovon handelt nun "Don Quijote", und was macht das Werk aus der Sicht von Literatur-Experten so genial?
Zunächst einmal bildet die monumentale 1.000-Seiten-Erzählung schon formal gesehen nichts Geringeres als den ersten modernen Roman. Er erschien 1605 und 1615 in zwei Teilen und schildert mit großem Einfallsreichtum die Abenteuer des verarmten adligen Möchtegern-Ritters Don Quijote und dessen Knappen Sancho Panza. Hierbei gibt sich das Werk von Beginn an als Literaturkritik zu erkennen, da es eine Satire auf die zur damaligen Zeit überaus beliebten Rittererzählungen darstellt. Die Motive dieser Geschichten waren den Lesern daher völlig vertraut: Ein edler Ritter erwirbt sich in heldenhaften Abenteuern großen Ruhm, besiegt hierbei in spannender Weise u.a. Magier, Riesen, feindliche Soldaten sowie Ungeheuer aller Art und widmet diesen Ruhm schließlich einer von ihm angebeteten Adligen. All dies und noch viel mehr nimmt Cervantes nun auf die Schippe, indem er mit viel Ironie, aber auch großer Sympathie für seine Figuren einen Antihelden entwirft, der sich nach dem Konsum beeindruckender Erzählungen über Ritter einbildet, selber einer zu sein und nun durch seine Traumwelt längst vergangener und verklärter Ritterzeiten stolpert.
Die Qualität des Romans besteht dabei auch darin, dass er oftmals klare Positionierungen meidet und durch diese Offenheit differenzierte Sichtweisen ermöglicht. So kritisiert er einerseits klar die Verlogenheit vieler unrealistisch-idealisierter Heldenerzählungen, liefert aber gleichzeitig auch eine Hommage an wirklich herausragende Werke dieser Gattung, die moralische Werte hochhalten. Oder lässt beim Leser einerseits Rührung durch den sympathischen und von hohen Idealen getriebenen Helden aufkommen, ihn andererseits dann aber auch wieder oftmals als lächerlichen Deppen dastehen, der sich in einer anderen Realität agieren wähnt als in der Wirklichkeit, die ihn umgibt, und an der er demgemäß scheitert. Dies allerdings auch nur wieder für den äußerlichen Betrachter, da der Protagonist eben in seiner eigenen Realität kämpft und damit auch die Frage aufwirft, welche Wirklichkeit denn nun eigentlich real oder zumindest bedeutsamer ist. Berühmtes Beispiel ist sein sprichwörtlich gewordener Kampf gegen Windmühlen, in denen er verzauberte Riesen zu erkennen meint. Die Windmühlen stehen gemäß gängigen Interpretationen hierbei für den damaligen Aufbruch in ein technisches Zeitalter, das die Macht der Aristokratie bedrohte und die Auflehnung des adligen Helden dagegen aussichtslos und lächerlich erscheinen lässt. Hier haben wir mit dem Kampf gegen die Riesen aus der Perspektive des Helden, den lächerlichen Wahn desselben aus Sicht der „wahren Welt“ sowie der Politsatire des Autors dieser Geschichte gleich drei zu unterscheidende Ebenen der Szene vor Augen.
Nun sollte man meinen, dass zumindest die Interpretationsfähigkeit literarischer Schilderungen ohnehin zur Grundausstattung guter Bücher gehört, doch selbst diese Ebene bindet Cervantes in die Erzählung selbst ein und macht damit das Verwirrspiel der Realitätsebenen perfekt. So treffen Don Quijote und sein Helfer im zweiten Teil des Romans etwa auf neue Figuren, denen die beiden jedoch bereits deshalb bestens bekannt sind, weil diese den ersten Teil des Romans gelesen haben. Demgemäß sinniert unser Held dann auch selber über sein Dasein als berühmte Romanfigur. Ein selbstreferentieller satirischer Kunstgriff, der sich einerseits über bierernst konstruierte Heldenliteratur lustig macht, andererseits jedoch auch die reale gesellschaftspolitische Macht schriftstellerischer Fiktion vor Augen malt, die es vermag, die „wahre Welt“ zu verändern.
Diese kleine Auswahl der bis hierhin skizzierten Motive, Themen und Ebenen des Romans sollten bereits die große Vielschichtigkeit des Werkes verdeutlicht haben. Während die Literaturwissenschaft aufgrund dieser Vielschichtigkeit des Werkes sich bis heute nicht auf seine Hauptaussage einigen konnte, entfaltet sich seine Wirkung in der immer neuen Aufnahme einzelner Motive. Wir finden z.B. seine Frage nach der Sinnhaftigkeit einer radikal idealistischen Weltauffassung samt eines daraus resultierenden Engagements nach wie vor in Literatur und Philosophie ebenso aufgegriffen, wie die Frage, ob die objektive Außenwelt oder die subjektive Wahrnehmung von letzter Bedeutung ist. Sogar die äußere Erscheinungsform des spindeldürren Don Quijote und seines kleinen dicken Lanzenträgers Sancho Panza ist zum Kennzeichen zahlreicher Komikerpaare geworden, und auch der Gag, dass sich eine ausgedachte Figur selber dessen bewusst wird, dass sie eben nur ein solches Dasein hat, wurde und wird z.B. in Romanen wie "Sofies Welt" aufgegriffen und zum Anlass für philosophische Spekulationen über unsere eigene Existenz genommen.
Diese unvollständige Liste sehr einfallsreicher Themen und Ideen des Romans unterstreicht seine große Originalität und die Tiefe, aus der seine Leser schöpfen können. Kein Wunder also, dass er mit 500 Mio. Exemplaren zum meistverkauften Roman aller Zeiten wurde und dass Philosophen und Schriftsteller ihn etwa als "Weltbuch" (Thomas Mann) und dessen Protagonisten als "Weltfigur" (Georg W. F. Hegel) würdigten - und die o.g. Auswahl an 100 berühmten Schriftstellern der Gegenwart ihn eben selbst 400 Jahre nach seinem Erscheinen heute noch immer zum besten Buch der Welt kürt.
Wenn auch Sie sich den Roman zulegen möchten, so empfehle ich Ihnen übrigens die von Experten hochgelobte Übersetzung von Susanne Lange. Sie besitzt laut Fachwelt eine sehr hohe Nähe zum Original und bildet im Deutschen am besten die sprachliche Dimension des spanischen Originals ab.
Don Quijote in der Übersetzung von Susanne Lange ansehen bei:
Top-100-Liste der Weltliteratur
Nachfolgend möchte ich Ihnen nun alle Titel präsentieren, die es in der Abstimmung nach dem Geschmack der Schriftsteller unter die 100 besten Bücher geschafft haben. Da die veröffentlichte Bücherliste kein Ranking nach abgegeben Stimmen darstellt, sind sämtliche Titel mit Ausnahme des Siegertitels "Don Quijote" rein zeitlich nach ihrem Erscheinen sortiert.
Sieger: Miguel de Cervantes: Don Quijote (1605/15)
Gilgamesch-Epos (18./17. Jh. v. Chr.)
Mahabharata (9.-5. Jh. v. Chr.)
Homer: Odyssee (8. Jh. v. Chr.)
Homer: Ilias (760-710 v. Chr.)
Das Buch Hiob (7.-4. Jh. v. Chr.)
Euripides: Medea (431 v. Chr.)
Sophokles: König Ödipus (430 v. Chr.)
Valmiki: Ramayana (5.-4. Jh. v. Chr.)
Vergil: Aeneis (29.-19. v. Chr.)
Kalidasa: Sakuntala (1. Jh. v. Chr.-4. Jh. n. Chr.)
Ovid: Metamorphosen (1. Jh. n. Chr.)
Tausendundeine Nacht (700-1500)
Murasaki, genannt Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji (1000-12)
Die Saga von Njal (13. Jh.)
Sadi: Obstgarten (1257)
Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī: Mathnawi (1258-73)
Dante Alighieri: Die göttliche Komödie (1308-21)
Giovanni Boccaccio: Das Dekameron (1349-53)
Geoffrey Chaucer: Die Canterbury-Erzählungen (ca. 1380-1400)
François Rabelais: Gargantua und Pantagruel (1532-34)
Michel de Montaigne: Essais (1595)
William Shakespeare: Hamlet (1603)
William Shakespeare: König Lear (1608)
William Shakespeare: Othello (1609)
Jonathan Swift: Gullivers Reisen (1726)
Laurence Sterne: Das Leben und die Ansichten Tristram Shandys (1760)
Denis Diderot: Jacques der Fatalist und sein Herr (1796)
Jane Austen: Stolz und Vorurteil (1813)
Honoré de Balzac: Vater Goriot (1815)
Stendhal: Rot und Schwarz (1830)
Johann Wolfgang von Goethe: Faust (1832)
Edgar Allan Poe: Erzählungen (1832-49)
Giacomo Leopardi: Gesänge (1835)
Hans Christian Andersen: Märchen und Geschichten (1835-37)
Nikolai W.Gogol: Die toten Seelen (1842)
Emily Brontë: Sturmhöhe (1847)
Herman Melville: Moby Dick (1851)
Walt Whitman: Grashalme (1855)
Gustave Flaubert: Madame Bovary (1857)
Charles Dickens: Große Erwartungen (1861)
Leo N. Tolstoi: Krieg und Frieden (1865-69)
Fjodor M. Dostojewski: Schuld und Sühne (1866)
Fjodor M. Dostojewski: Der Idiot (1869)
Gustave Flaubert: Jules und Henry oder Die Schule des Herzens (1869)
George Eliot: Middlemarch (1871)
Fjodor M. Dostojewski: Die Dämonen (1872)
Leo N. Tolstoi: Anna Karenina (1877)
Henrik Ibsen: Nora oder Ein Puppenheim (1879)
Fjodor M. Dostojewski: Die Brüder Karamasow (1880)
Mark Twain: Die Abenteuer des Huckleberry Finn (1884)
Anton P. Tschechow: Erzählungen (1886)
Leo N. Tolstoi: Der Tod des Iwan Iljitsch und andere Geschichten (1886)
Knut Hamsun: Hunger (1890)
Thomas Mann: Buddenbrooks (1901)
Joseph Conrad: Nostromo (1904)
D. H. Lawrence: Söhne und Liebhaber (1913)
Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (1913-27)
Lu Xun: Das Tagebuch eines Verrückten (1918)
James Joyce: Ulysses (1922)
Italo Svevo: Zeno Cosini (1923)
Franz Kafka: Die Verwandlung und andere Erzählungen (1924)
Thomas Mann: Der Zauberberg (1924)
Franz Kafka: Der Prozeß (1925)
Virginia Woolf: Mrs. Dalloway (1925)
Franz Kafka: Das Schloß (1926)
Virginia Woolf: Die Fahrt zum Leuchtturm (1927)
Federico García Lorca: Zigeunerromanzen (1928)
Fernando Pessoa: Das Buch der Unruhe (1928)
Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz (1929)
William Faulkner: Schall und Wahn (1929)
Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften (1930-32)
Louis-Ferdinand Céline: Reise ans Ende der Nacht (1932)
Halldór K.Laxness: Sein eigener Herr (1934-36)
William Faulkner: Absalom, Absalom! (1936)
Albert Camus: Der Fremde (1942)
Jorge Luis Borges: Fiktionen (1944-86)
Astrid Lindgren: Pippi Langstrumpf (1945)
Nikos Kasantzakis: Alexis Sorbas (1946)
George Orwell: 1984 (1949)
Marguerite Yourcenar: Ich zähmte die Wölfin (1951)
Samuel Beckett: Molloy, Malone stirbt, Der Namenlose (Trilogie) (1951-53)
Ralph Ellison: Der unsichtbare Mann (1952)
Paul Celan: Gedichte (1952)
Ernest Hemingway: Der alte Mann und das Meer (1952)
Yasunari Kawabata: Ein Kirschbaum im Winter (1954)
Vladimir Nabokov: Lolita (1955)
Juan Rulfo: Pedro Pàramo (1955)
João Guimarães Rosa: Grande Sertão (1956)
Chinua Achebe: Okonkwo oder Das Alte stürzt (1958)
Günter Grass: Die Blechtrommel (1959)
Nagib Mahfus: Die Kinder unseres Viertels (1959)
Doris Lessing: Das goldene Notizbuch (1962)
Tayyib Salih: Zeit der Auswanderung in den Norden (1966)
Gabriel García Màrquez: Hundert Jahre Einsamkeit (1967)
Elsa Morante: La Storia (1974)
Salman Rushdie: Mitternachtskinder (1981)
Gabriel García Màrquez: Die Liebe in den Zeiten der Cholera (1985)
Toni Morrison: Menschenkind (1987)
José Saramago: Die Stadt der Blinden (1995)
Spitzentitel bei der Frage nach dem besten Buch der Welt
Ich hoffe, dass Ihnen die von der o.g. Schriftsteller-Auswahl auf die Frage nach dem besten Buch der Welt genannten Titel interessante Lektüre-Empfehlungen liefern konnten. Schaut man sich nach weiteren ernstzunehmenden Umfragen dieser Art um, fällt übrigens auf, dass insbesondere drei Bücher immer wieder unter den allerersten Plätzen landen, nämlich die Bibel (oder einzelne Bücher aus ihr), "Ulysses", der bedeutendste Roman des irischen Schriftstellers James Joyce, und eben Miguel de Cervantes' "Don Quijote".
Bücher-Bestenlisten 2024
Ich stelle fortlaufend eine Liste der interessantesten Neuerscheinungen des Monats zusammen. Aus dieser alle Monate umfassende Bestenliste mit verhältnismäßig vielen guten Büchern wähle ich dann nur die allerbesten Titel für meine Jahres-Bestenliste aus. Und aus dieser Liste wiederum wähle ich noch einmal die "Die Besten der Besten" für eine extrem kompakte Top-25-Liste aus:
Die 25 besten Bücher 2024
"Must Read"-Listen mit den 25 absoluten Literatur-Highlights des JahresDie besten Bücher 2024
"Mittellange" Jahres-Bestenliste mit ca. 250 lesenswerten TitelnDie besten Bücher des Monats in 2024
Listen mit sehr vielen guten Büchern der jeweiligen Monate
Bücherlisten-Übersicht
Sämtliche Listen dieses Portals auf einen Blick